Freidenker Schweiz: Minarette und Kirchtürme sind Machtsymbole (22-05-2007)

Pressemitteilung der Freidenker Schweiz

Türme sind Machtsymbole – alle!

Ein Minarett-Verbot in der Verfassung? Während blauäugige MitbürgerInnen und gewiefte MuslimInnen nicht müde werden, Minarette als harmlose Gebäudeteile zu qualifizieren, wiederholen die Gegner der Minarette dauernd die Aussage, beim Minarett handle es sich nicht bloss um einen Turm, sondern es stelle ganz klar ein religiöses Machtsymbol dar.

Richtig ist, dass das Minarett ein religiöses Machtsymbol ist – richtig ist aber auch, dass jeder Turm ein Machtsymbol ist:
Ob der Kirchturm der Christen (seine Höhe war bis in die Neuzeit hinein ein beliebtes Wettbewerbsobjekt unter Gemeinden), ob die Burgfriede der Adligen, die Bürotürme der Wirtschaftsmächtigen oder die waghalsigen Wohntürme in Weltstädten … alle haben sie den Zweck (männliche!) Macht zu demonstrieren: Wir sind so gross und stark, dass wir die nötige Technik und die nötigen Mittel aufbringen, um über die andern hinaus zu wachsen…

(Anmerkung von Kirchenglocken.ch)

Matthias Walter vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern zum Thema Aufrüstung von Machtsymbolen:

…Es war ein regelrechtes Wettrüsten, das Ende des 19. Jahrhunderts in der Ostschweiz begann. «Mit der Industrialisierung und dem Reichtum kam der Wahn, die Türme mit den grösst- und schwerst-möglichen Glocken füllen zu müssen»…

Der Turmbau zu Babel als Versuch, einen vorgeschichtlichen Wolkenkratzer zu errichten – "um sich einen Namen zu machen" (Genesis 11,4) –, ist ein wiederkehrendes Motiv der menschlichen Kulturgeschichte.

Wenn wir also diesen unsinnigen Wettbewerb beschränken wollen, dann einfach durch die maximale Gebäudehöhe im Baureglement. Dann gilt für religiöse und weltliche Machtsymbole, dass sie nicht Anspruch darauf haben, den öffentlichen Raum vertikal nach Belieben zu dominieren. Für die meist nicht sehr hohen und vor allem schlanken Minarette dürfte dies problemlos einzuhalten sein.

Ein Minarettverbot würde u.E. gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit verstossen, weil die sichtbare Ausübung der Religion auch darunter fällt. Es würde auch gegen den Anspruch auf Gleichbehandlung verstossen, weil es nur die einen Türme der einen Glaubensgemeinschaft betreffen würde.

Was allerdings von diesen Türmen nebst der sichtbaren und zu tolerierenden Symbolik noch ausgeht, das können wir – ebenfalls auf Gesetzesebene – politisch steuern: in erster Linie durch den Lärmschutz. Niemand will hierzulande Muezzins schreien hören – aber auch Kirchenglocken zu allen Tag- und Nachtzeiten sind eine Lärmbelästigung.

Deshalb muss beides weg: Keine Religion soll die nicht- oder andersgläubigen BürgerInnen mit Geschrei oder Geläut nerven dürfen!

Reta Caspar
Freidenker – Vereinigung der Schweiz FVS

(www.kirchenglocken.ch)